No na. Das geht sich schon aus.

Kleine und große Gehässigkeiten, Seitenhiebe, Spott und Sticheleien zwischen Österreich und Deutschland gab es gefühlt schon immer. Mal mehr oder weniger böse, lustig oder ernst gemeint. Ein sehr spezielles Verhältnis könnte man meinen, bei der Konstellation von viel gemeinsamer wie auch getrennter Geschichte irgendwie aber auch kein Wunder.

Gemeinsam – und gleichzeitig getrennt – ist vor allem die gesprochene Sprache in beiden Ländern, und das trotz großer Überschneidungen der öffentlichen Medien im Online-, Print- und vor allem Fernsehbereich. Als es mich 2007 der Arbeit wegen von Berlin nach Wien verschlug, fühlte ich mich vom ersten Tag an wie in einem verbalen Paralleluniversum.

Im Sommer dösen die Österreicher zum Beispiel gerne im Park und nennen das ganz im Wortsinne "Ausrasten". Letzteres pflege ich selbst ja eher auf dem Tennisplatz, aber das ist eine andere Geschichte. Und für die Ösis bin ich ja auch der Piefke, der preußisch geprägte humorlose Grobian, der zum Verrecken nicht wenigstens einmal unpünktlich sein kann. Derartige Un-Tugenden mag entlang der Alpen scheinbar nicht jeder, der ein oder andere ZUCKT beim Anblick von zu vielen Teutonen sogar schon mal AUS.

Zurück zur Sprache:
Wenn es etwas gibt, was in Österreich ständig "geht", dann ist es "aus". Es geht sich also aus. Ob das die Puste beim Joggen betrifft, das (knappe) Erreichen der Straßenbahn oder das Geld am Ende eines Monats. Meistens geht es sich schlichtweg aus. Ein absolut omnipräsenter Ausdruck. Habe ich vorher in Deutschland nicht ein einziges Mal wahrgenommen. Genauso wie den Umstand, beim Schätzen "Daumen mal Pi" zu bemühen. Heißt in Österreich tatsächlich so. Und warum auch nicht, bei der Multiplikation ist die Reihenfolge ja bekanntlich egal.

Der Mensch schreibt hier zudem EIN Mail, trinkt DAS Cola, isst DER Zwiebel, nennt den Januar Jänner und den Februar Feber, macht den Schrank zum Kasten und zieht für die Socken an der Lade. Den Schub braucht hier nämlich keiner.

Einige unterstellen den Österreichern historisch bedingt ja ein gewisses Minderwertigkeitsgefühl. Die vergangenheitsferne k. u. k. Monarchie lässt nicht nur grüßen, zumindest optisch ist sie auch noch absolut präsent bei all den Schlössern, Palais und Prachtbauten, die eine Wiener oder Salzburger Altstadt zieren.

Ob deswegen bis heute bestimmte Ausdrücke das Sprachbild prägen, als hätte das Land damals das französische Hof-Zeremoniell nicht bloß übernommen, sondern vielmehr erfunden? So werden Autos heute nicht einfach nur geparkt, nein, sie werden – Achtung – garagiert. Gerne auch in Verbindung mit einer Servicierung, wenn man denn den Wagen vorher vernünftig in die Lücke reversiert hat. Verlässt einer seine Wohnung, ist das übrigens eine Delogierung. Und der eigene Job belastet einen hoffentlich nicht mit zu viel Fadesse, ansonsten ist glücklich, wer sich zum Abendessen mit seinen Freunden akkordiert. Das alles kostet – no na – Geld, das erst mal lukriert werden will. Für ein Mehr an Urlaub wird dieser wenn möglich prolongiert, kranke Lehrer von Vertretern suppliert und klar ist auch, was gegen Stress hilft: Natürlich kalmieren. Klingt das nicht alles faszinierend? Also irgendwie Leiwand?

Schluss nun mit dem Namedropping à la Austria. Ich will hier ja keinen segieren.

Aber wie sind denn nun diese Unterschiede zu erklären? Ist es eine Art Pseudo-Eloquenz zum Angeben? Motto: Warum einfach sprechen, wenn’s auch ein vornehm klingendes Fremdwort gibt? Oder ist es doch eher die unbewusste Bewahrung des sprachlichen Erbes aus der genannten gloriosen k. u. k.-Zeit? Damals hat schließlich bestimmt nur der Pöbel popeliges Deutsch oder welchen Dialekt auch immer gesprochen.

Stichwort Pöbel. Das österreichische Sprachspektrum hält ja noch eine ganz andere Seite parat, die – nun ja – ebenso eine Art Eloquenz auszeichnet. Nennen wir sie Schimpf- und Fäkalsprache. Wenn nämlich eine Frau ihrem Freund fast schon liebevoll mitgibt, er solle doch mal "Scheissen geh’n", hat man als Beisteher eigentlich keine Fragen mehr. Denn klar, der Gang zum WC war damit nicht gemeint, sondern nur die "liebevolle" Aufforderung, dass er doch bitte mal Ruhe geben soll.

Vorsicht ist auch im Bereich der Sexualität angesagt, so wie beim Wort "Schmusen". Denke ich da eher an das Schnurren einer Katze, schnurren in Österreich eher Männlein und Weiblein, ist doch mit Schmusen das klassische "Rum-machen" gemeint.

Rummachen? Moment. Das erinnert mich an einen weiteren kulturellen Unterschied, den ich so vorher aus Deutschland nicht (mehr) kannte: Das grundsätzliche Verhältnis zwischen Mann und Frau. Vor allem beim ersten Date, ob im Restaurant oder in einer Bar. Bezüglich der Geschlechterrollen durfte ich da ganz eigene, eher rückwärtsgewandte Erfahrungen machen. Vielleicht ja ein schönes Thema für einen weiteren Blog an dieser Stelle mit dem Titel: "Alle 11 Minuten ist ein Mann mal wieder dran mit Bezahlen."

P.S.:
Manche Begriffe aus Österreich habe ich tatsächlich liebgewonnen. Vom Rauchfangkehrer (Schornsteinfeger) über das Reparaturseidl (Konterbier) bis zur Schiraffe im Zoo (Schiraffe am Ende übrigens mit einem stummen "e"). Und wird in der eigenen Wohnung ein technisches Gebrechen diagnostiziert – Beistrich – wird zur Lösung gerne der Hausbesorger urgiert. Herrlich. Rufzeichen!

Glossar:
no na: aber klar // auszucken: ausflippen // servicieren: Service machen // reversieren: rückwärtsfahren // delogieren: ausziehen // Fadesse: Langeweile // akkordieren: absprechen // lukrieren: Gewinn machen // prolongieren: verlängern // supplieren: ergänzen, vertreten // kalmieren: beruhigen // Leiwand: super, toll // segieren: nerven // Beistrich: Komma // Hausbesorger: Hausmeister // urgieren: drängen // Rufzeichen: Ausrufezeichen