Das kennt jeder: Wie schnell ist mitten im Gespräch ein Wort oder ein ganzer Satz gefallen, der sich in den Sekunden danach zu einem großen Desaster entwickeln kann?!
Dabei hatte dieses Wort (oder dieser Satz) eventuell gar keine wirkliche Bedeutung?! Es war ein simples Missverständnis. Es war einfach zu schnell, zu unüberlegt, man hat sich schlicht vergaloppiert. Und nein, es war auch KEIN freudscher Versprecher und damit eine angeblich unbewusst ausgesprochene Wahrheit.
NEIN. Das Wort oder der Satz ist einfach so "passiert". Im Eifer des Gefechts. Weil – im Gegensatz zum geschriebenen Wort – das Aus-Gesprochene nicht gegengelesen oder geprüft werden kann, bevor es die Stimmbänder verlässt.
Will ein Gesprächspartner solche Missgeschicke per se vermeiden, bleibt nur der innere Zensor. Und damit das Unterdrücken von wirklich freiem, offenem Sprechen. Ein Sprechen, das aber echter, authentischer und auch direkter wäre – nur eben mit dem Nachteil, dass es von Zeit zu Zeit auch mal (so richtig) daneben gehen kann. Na und?!
Genau darum geht’s hier für mich:
Legt mein Gesprächspartner jedes meiner Worte auf die sogenannte Goldwaage und ich lasse mich drauf ein, nutze ich ja die gleiche Waage. D.h., ich versuche alle meine Aussagen vorab zu "vermessen" und erst dann auszusprechen. Ergo: Ich werde vorsichtig, langsamer und lege mir quasi verbale Fesseln an.
Aber wer will das? Also wer will das wirklich?
Es ist aber leider so: Viele Menschen legen meist unbewusst die Worte ihres Gesprächspartners auf diese (zu) empfindliche Waage. Als wenn jedes Gespräch die Bedeutung einer Vertragsverhandlung hätte. Wie beim Wiegen von Gold kommt es auch bei Verträgen in der Regel auf Kleinigkeiten, auf Nuancen an. Es geht also im übertragenen Sinne um den "Gramm-Bereich". Weil sowohl Gold als auch Worte – falsch "behandelt" – richtig teuer werden können.
Worauf will ich hinaus? Kredit! Ich plädiere für "sozialen Kredit".
Gerade im Gespräch unter (Liebes-)Partnern oder unter Freunden sollte gegenseitiges Wohlwollen eine Selbstverständlichkeit sein. Mit echtem Wohlwollen schaffe ich dem anderen automatisch einen entsprechenden sprachlichen Kredit. Oder einen Puffer. Nennen Sie es wie Sie wollen.
Dieser Puffer sorgt dafür, dass falsch gewählte Worte oder scheinbar unwahre Behauptungen erst mal ohne negative Konsequenzen bleiben. Der Puffer kann dann als eine Art Raum genutzt werden nachzufragen: War das wirklich so gemeint? Habe ich das (den Ton; den Inhalt) richtig verstanden? So gebe ich dem anderen die ehrliche Chance, sich zu korrigieren oder zu erklären. Das Gesprächs-Niveau wird es so oder so anheben.
In der Regel lohnt es sich, einen solchen sozialen Kredit im eigenen Umfeld offen anzusprechen. Damit sensibilisiert man nicht nur andere, sondern immer auch sich selbst: Um als Kommunikationspartner nicht zu gnadenlos zu sein und ein Gespräch möglichst frei und offen zu führen, also ohne Schranke im Kopf. Mit einer solchen Schranke würde auf jeden Fall nur mehr bedingt Kreativität entstehen können. Wäre das nicht schade?